Borreliose: Wenn Ärzte selbst erkranken - neue Serie, Teil 4

Wir wechseln in dieser kleinen Serie mal die Schreibtischseiten und lesen, was Ärzte berichten, die selbst an Lyme-Borreliose & Co. erkrankt sind. Hier geht es zu Teil 1, in dem die englische Ärztin Caroline Rayment ihren Fall schildert und hier zu Teil 2, dem Bericht des englischen Chirurgen Chris J. F. Wilson. Im dritten Teil der Serie finden wir die Schilderung des kalifornischen Arztes Jon Sterngold. Er beschreibt im heutigen Teil der Serie, warum die Spätborreliose so schwer zu diagnostizieren und zu behandeln ist.


Jon Sterngold: Die bakterielle Ursache der Lyme-Krankheit, Borrelia burgdorferi, wurde nach dem Forscher Ph.D Willy Burgdorfer, der als erster den Keim im Jahr 1982 identifizierte benannt.

Diese Borrelien-Spirochäten, korkenzieher-förmige Bakterien, sind in dem uns bekannten Bakterienreich wegen der DNA-Menge einzigartig. Diese DNA ermöglicht es, ihrer Entdeckung
und dem Angriff des menschlichen Immunsystems zu entgehen. Es kann seine äußere Proteinhülle ändern, das nennt man Cloaking, und sich damit der Immunerkennung entziehen. Es kann auch komplett seine Form ändern, z. B. zu einer therapieresistenten Zyste.

Der Erfolg der antibiotischen Therapie hängt allgemein von der Aktivität des Bakteriums ab; auch davon, wie schnell es wächst und wie oft es sich teilt. Die häufigsten bakteriellen Erkrankungen in der Medizin stammen von Bakterien, die sich in weniger als 24 Stunden reproduzieren. Wenn Antibiotika die reproduktive oder aktive metabolische Maschinerie dieser Keime trifft, sterben sie. Deshalb bessern sich Krankheiten wie Lungenentzündung oder Infektionen der Harnwege in der Regel in wenigen Tagen.

Die Lyme-Bakterium jedoch hat einen Reproduktionszyklus von einem Tag, der aber über neun Monate andauert. Während einer Phase längerer Inaktivität ist es sehr schwer sie zu töten. Dies ist einer der Gründe, warum eine etablierte Borrelien-Infektion schwer zu beseitigen ist. Es wird auch angenommen und es gibt reale Daten dazu, dass die Borrelien häufig mit anderen Bakterien (den sogenannten Co-Infektionen) eine Biofilm-Gemeinschaft bilden.

Auf mikroskopischer Ebene verklumpen die Bakterien in einem gelartigen Sekret, isoliert von unserem Immunsystem, Antibiotika oder zirkulierenden Antikörpern. Das ist ihr "Bunker", aus dem heraus sie durch die Freisetzung von Neurotoxinen verheerende Schäden anrichten. Es ist ein Evolutionsspiel: sie gedeihen in einem Körper, den sie so modifizieren, dass er ihren Bedürfnissen entspricht. Sie können unser Immunsystem unterdrücken und andere lebenswichtige Prozesse verändern, uns krank machen - alles was hilft, damit es ihnen gut geht. Es ist eine parasitäre Existenz, ohne uns, den Wirt, zu töten.

Neben den Symptomen, die von der Entzündung des Gehirns, der Nerven, des Herzens, der Blutgefäße, Gelenke und dem Bindegewebe usw. hervorgerufen werden, verursachen Borrelien durch mehrere Mechanismen auch Autoimmunerkrankungen. Krankheiten wie Lupus, Multiple Sklerose und Lou-Gehrig-Krankheit (ALS) kann tatsächlich durch die Lyme-Borreliose verursacht werden. Diese Erkrankungen gelten als nicht-heilbar, doch es gibt viele Fälle, in denen sich die Autoimmunkrankheit vollständig zurückbildet, wenn die Lyme-Borreliose langfristig und mit hochdosierten Antibiotika behandelt worden ist.

Tests, um festzustellen, ob jemand an Lyme-Borreliose leidet, sind problematisch. Die üblichen Tests messen Konzentrationen von Antikörpern, die wir speziell gegen Borrelien produzieren. Aber, wenn die Bakterien sich immunologisch in ständig neuen "Mänteln" verstecken, und unsere Fähigkeit, Antikörper zu produzieren unterdrücken, kann gerade eine sehr schwer an Borreliose erkrankte Person ein völlig negatives Testergebnis erzielen. Was häufig zu sehen ist: Nach einem Jahr antibiotischer Therapie können die Borrelien-Fragmente vom Immunsystem erkannt werden und die Tests sind positiv. Das Dilemma ist, dass jemand auf der Suche nach einer Diagnose, nach einer Antwort für das schwere Leiden einen Arzt aufsucht, der sich auf die ersten Testergebnisse verlässt. Der Patient wird keine Antwort und keine wirksame Behandlung erfahren. Dies ist Teil dessen, was den Unterschied zwischen Borreliose-Spezialisten, die die Probleme der Tests und die Therapie-Herausforderungen kennen, ausmacht und jenen Ärzten, die mit dieser Krankheit aus guten Gründen nicht umgehen wollen.  Die Breite und Tiefe der Probleme ist immens - dazu später mehr in der nächsten Folge dieser Serie.


Quelle: https://www.lymedisease.org/222/


B. Jürschik-Busbach © 2015
 

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