Borreliose &  Co: Wenn Ärzte an Borreliose erkranken - neue Serie, Teil 2

 

Zur Abwechslung wechseln wir in dieser kleinen Serie mal die Schreibtischseiten und lesen, was Ärzte berichten, die selbst an Lyme-Borreliose & Co. erkrankt sind. Hier geht es zu Teil 1, in dem die englische Ärztin Caroline Rayment ihren Fall schildert. Heute schildert der englische Chirurg Chris J. F. Wilson seine “Jahre mit Lyme-Borreliose” so:

 

Das erste Mal fühlte ich mich krank, als einige der Studenten an Meningokokken erkrankten. Unspezifische Symptome, Unwohlsein, Erschöpfung, Lichtscheu, Kopfschmerzen und Probleme mit meinen Füßen quälten mich. Diese Symptome waren ernstzunehmend genug, um sich einem Neurologen zur Untersuchung anzuvertrauen. Die Untersuchungen waren gründlich, doch eine Ursache wurde nicht gefunden.

 

Etikett: Depression

 

Ich wurde in die Hände des mir weniger sympathischen Universitätsmedizin-Service gegeben. Rheumatologen nahmen meine schmerzenden Gelenke unter die Lupe. Die Neurologen unterzogen mich erneut einer „Inquisition“, um eine Erklärung für meine Kopfschmerzen zu finden. Letztlich wurde ich, wie es oft der Fall ist, zu einem Psychiater überwiesen. Dort wurde mir, angesichts meines mysteriösen Symptomenspektrums, das Etikett „Depression“ angehangen. Ich verbrachte mehrere Monate damit, dass ich völlig in der Luft hing. Die Uni lag auf Eis, doch ich war überzeugt, dass ich nicht psychisch erkrankt war, sondern es eine körperliche Ursache geben müsse. Eine wenig hilfreiche medizinische Fakultät verhinderte gesundheitliche Fortschritte und über Jahre baute mein Körper ab, doch ich wollte nicht erneut eine Arztpraxis mit meiner Anwesenheit zieren.

 

Ständige Kopfschmerzen begleiteten mich wie ein Schatten, meine Gelenke protestierten und seltsame Dinge schienen mit meiner Haut zu passieren. Ich schob es eher auf eine schlechte Matratze, ausgelatschte Laufschuhe und ein zu warmes Schlafzimmer, als auf irgendetwas Anderes. Letzten Endes schien es mir einfacher, mit den Symptomen zu leben, als von jenen ausgelacht zu werden, bei denen ich Rat gesucht hätte.

 

Ich akzeptierte die verheerende Wirkung, die diese Krankheit auf mich hatte, doch schlimmer noch, die sie auch auf Andere hatte. Anhaltende Schmerzen, das Gefühl, ständig verkatert zu sein, nicht mehr richtig stehen zu können, furchtbare nächtliche Schweißausbrüche – all das war nicht gut für Beziehungen. Es erschien mir seltsam, dass wir das erste Mal eine richtige Anamnese machten, als ich meine Diagnose kannte. Zahlreiche Spezialisten hatte ich aufgesucht, doch niemand hatte wirklich meine vollständige Krankengeschichte erfasst. Mit diesem Punkte hatte ich meine Schwierigkeiten. Ich stolperte schließlich selbst über die Diagnose.

 

Während ich eines Tages durch Haworth ging, wurde mir in einem Moment der Erkenntnis alles klar. Das Gesprächsthema in Haworth war zeckenübertragene Krankheiten und eine tiefgreifende Lösung meiner Probleme schien statt zu finden. Ja, bevor ich mich schlecht fühlte, konnte ich mich an eine pathognomische Hautrötung erinnern, ein Erythema chronicum migrans, an das ich mich nach einer Klettertour in Canada und der Schweiz erinnerte. Aus Neugier hatte ich den Umfang und seine Ausbreitung auf meinem Bein abgebildet.

 

Alles, was nun folgte, war in der Rückschau einfach zu beschreiben: Die Spirochäten und ihr Weg durch meinen Körper. Als die Serologie zurückkam, war ich erfreut, dass Lyme-Borreliose diagnostiziert worden war. Es war die größte positive Bestätigung, die ich mir hätte wünschen können. Ich unterzog mich einer unangenehmen Chemotherapie und begann dann mit der klinischen Praxis. Das Erbe eines Jahrzehnts mit grimmiger Lyme-Borreliose hatte mich ohne Zweifel physisch geschwächt und die Stigmatisierung mit einem „Depressions“-Schild sowie der Spott der Ärzte hatten eine nagende psychische Dimension.

 

Doch ich fühle keine Bitterkeit jenen gegenüber, die mich nicht ernst genommen haben. Sie tun mir Leid. Doch jenen, die mich im Bradford Royal Hospital ernst nahmen und mir die Chance gaben, wieder auf die Beine zu kommen, kann ich niemals genug danken. Vergleichbarer Dank gilt auch meinen Freunden und den Direktoren in Sheffield.

 

Im Hinblick auf die Auswirkungen meiner Erkrankung auf meine eigene klinische Praxis, hoffe ich, dass ich noch den Zenith an Gleichmut und aufgeschlossener Beratung erreiche, von dem ich selbst profitiert habe. Es war Zufall, dass Lyme-Borreliose entdeckt wurde und nicht irgendeine Form von Kreuzzug. Es war Glück, dass die Diskussionen über Borreliose stattgefunden haben und dass ich den richtigen Beruf habe. Vor allem aber bin ich glücklich, dass der Verlauf relativ gutartig war. Mir war Borreliose auch vor der Entdeckung vor vier Jahren bewusst – ich frage mich, warum ich nicht früher darauf gekommen bin. Vermutlich, weil ich nicht auf einem Kreuzzug war. Ich bezweifle, dass ich es ernst genommen hätte.

 

Lyme-Borreliose ist in Großbritannien nicht häufig. Ich nehme an, dass es eine kleine, aber signifikante Population von Patienten mit nicht-diagnostizierter, chronischer Lyme-Borreliose geben muss. Ich hoffe, sie sind bei sympathischen Hausärzten, die sich um sie kümmern. Von Zeit zu Zeit ist ein Kopfschmerz mein ständiger Begleiter, so wie die Zecken 1987, stechend.

Quelle:  http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1116513/

In der nächsten Folge schildert der US-Arzt Jon Sterngold seinen Kampf mit Spät-Borreliose.

Nachtrag: Neues von biofilm-bildenden Borrelien
Forscher fanden, dass die häufigsten Borrelien-Arten in unseren Breitengraden (B. garinii und B. afzelii) ebenso Biofilme bilden, wie ihre US-amerikanischen „Kollegen". Wer hätte das gedacht?  Siehe hierzu auch alle Artikel zum Thema Biofilm bzw. "wie knackt man eigentlich Biofilme?":

http://www.verschwiegene-epidemie.de/tag/biofilm/

B. Jürschik-Busbach © 2015
 

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