Borreliose und Syphilis - Was das eine mit dem anderen zu tun hat ...

Im ihrem Artikel "Borrelia burgdorferi and Treponema pallidum: a comparison of functional genomics, environmental adaptations, and pathogenic  mechanism",  erschienen im Journal of medical investigations berichten die Autoren Stephen F. Porcella und Tom G. Schwan über die 

Parallelen zwischen den krankmachenden Mechanismen des raffinierten Spirochätenbakteriums Borrelia burgdorferi (Erreger der Lyme-Borreliose) und ihrem etwas einfältigeren, einfacher gestrickten Cousin Treponema pallidum (Erreger der Syphilis), aus der gleichen Spirochätenfamilie.

 

Hier die zusammengefasste Übersetzung:

 

Spirochäten bilden eine heterogene Gruppe von Bakterien, die man sowohl im Boden, tief am Meeresgrund, als auch im Darm von Termiten und anderen Arthropoden sowie als obligate Parasiten der Wirbeltiere findet. Zwei pathogene Spirochäten stehen im Mittelpunkt dieser Betrachtungen: Borrelia burgdorferi sensu lato, der Erreger der Lyme-Borreliose und Treponema pallidum Unterart pallidum, der Erreger der gefürchteten Geschlechtskrankheit Syphilis. Obwohl diese Organismen die alte Abstammung, eine ähnliche Morphologie, als auch die vielgestaltige Natur der Infektionen, die sie verursachen gemeinsam haben, gibt es Unterschiede in ihren Lebenszyklen, der Umwelt-Anpassung und Auswirkung auf die menschliche Gesundheit und Verhalten.

 

Lieben Borrelien Hitze? Die Borrelien-Wohlfühl-Temperatur:

In-vitro-Kultivierung von B. burgdorferi bei verschiedenen Temperaturen zeigt, dass die Spirochäten sich bei 37° C am schnellsten replizieren. Eine Erhöhung der Temperatur auf 39° C verzögert das Wachstum signifikant, während eine 24-stündige Exposition bei 41° C alle Spirochäten im Kulturmedium tötet. Daher liegt die optimale Wachstumstemperatur von B. burgdorferi nur 4° C unterhalb der oberen "Todesgrenze". Die geringe Toleranz der Spirochäten für hohe Temperaturen ist bekannt und kann zum Teil die Verteilung von B. burgdorferi in verschiedenen Breiten und ihre Abwesenheit in den Tropen erklären. Interessanterweise wurde die thermische Empfindlichkeit von T. pallidum in den frühen 1900er Jahren durch die Anwendung der Fiebertherapie (mit Malaria oder Rückfallfieber-Infektionen) - vor der Entdeckung des Penicillins -  bei Patienten mit progressiver Paralyse genutzt.

 

Phänotypische Reaktion auf Veränderungen der Temperatur
Die Temperatur ist ein wichtiger Umweltstimulus, der die Anpassung von pathogenen Bakterien an ihre Wirte auslöst. Doch die Temperaturbereiche mit der B. burgdorferi und T. pallidum zu tun haben, unterscheiden sich deutlich. Die Lyme-Borreliose-Spirochäten sind erheblichen Temperaturänderungen (zwischen warmblütigen Säugetieren und kaltblütigen Zecken) ausgesetzt. Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Temperatur für T. pallidum in einem engen Bereich, der ihr durch die menschliche Homöostase auferlegt wird.

Während T. pallidum in vitro für eine begrenzte Anzahl von Tagen durch Co-Kultivierung in Kaninchen-Epithelzellen (Sf1Ep)-Zellen gezüchtet werden kann, muss dieser Vorgang bei 33° C (30) durchgeführt werden. Es gibt Indizien, dass die Virulenzfaktoren von T. pallidum bei verschiedenen Temperaturen unterschiedlich sind. Beispielsweise tritt in eine Verschlimmerung der syphilitischen Hautläsionen experimentell bei infizierten Kaninchen mit rasiertem Rücken auf, wenn die Tiere in Räumen bei 16-18° C (5) gehalten werden. Darüber hinaus legt die etwas kühlere Temperatur der menschlichen Arme und Beine beim Auftreten von klassischen sekundär-syphilitischen Hautläsionen dort nahe, dass T. pallidum optimal bei einigen Grad weniger als 37° C wächst.

 

Bis heute sind die Pathomechanismen beider Erreger nicht verstanden

Die spezifischen Mechanismen der beiden Organismen, die beim Menschen zur Multisystemerkrankung und anhaltenden Langzeitinfektionen trotz signifikanter Immunreaktion führen, sind bis heute nicht verstanden.

Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) meldete im Jahr 1998 16.801 Fälle von Lyme-Borreliose und 37.977 Fälle von Syphilis in den USA. Syphilis wurde erstmals vor knapp über 500 Jahren beobachtet, obwohl die bakterielle Ursache erst 1905 bestimmt werden konnte.

Die Lyme-Borreliose (LB) wurde vor 25 Jahren beschrieben, Ende 1981 wurde der Erreger endeckt, und man machte relativ schnelle Fortschritte beim Management der LB, auch wurde ein Impfstoff für Menschen entwickelt. (Achtung, der Artikel stammt aus dem Jahre 2001!). Diese Fortschritte konnte dadurch erzielt werden, dass es gelang, Bb in vitro zu kultivieren, da man zuvor das Kelly-Medium für die Kultur der Rückfall-Fieber-Borrelien entwickelt hatte.

Im Gegensatz dazu muss T. pallidum in den Hoden lebender Kaninchen gezüchtet/kultiviert werden, um Bakterien für Versuchszwecke zu erhalten. Eine Impfung gegen Syphilis ist noch nicht verfügbar. An eine Ausrottung der LB ist nicht zu denken, weil B. burgdorferi in der Natur weit verbreitet ist und der Lebenszyklus von vielen Säugetierarten, von Vögeln und blutsaugenden Zecken unterhalten wird. Vor kurzem (2001!) wurden die Genomsequenzen für beide Bakterien veröffentlicht.


Ein markanter Unterschied zwischen B. burgdorferi und T. pallidum ist ihre Gesamtgenomstruktur. Obwohl beide Erreger kleine Genome haben, verglichen mit vielen bekannten Bakterien wie Escherichia coli und Mycobacterium tuberculosis, ist die genomische Struktur von B. burgdorferi eines der komplexesten aller bekannten Prokaryonten.

Im Gegensatz dazu ist das Gesamtgenom von T. pallidum etwa 25% kleiner als das von B. burgdorferi. Tatsächlich ist 90% der B. burgdorferi-Genetik nicht mit irgendwelchen bekannten bakteriellen Sequenzen identisch. Die neuen Gene, die auf den B. burgdorferi-Plasmiden gefunden wurden, dürften zur Fähigkeit des Pathogens beitragen, zu überleben und einen komplexen Lebenszyklus (abwechselnd Warmblüter und Kaltblüter als Wirte!) zu bewältigen.


Borrelia burgdorferi - Lipoprotein und Erreger-Wirt-Interaktionen
Das B. burgdorferi-Genom enthält mindestens 132 Gene, die vermeintliche Lipoproteine codieren, jedoch sind 22 solcher Gene in T. pallidum vorhanden. Überhaupt sind die T. pallidum-Werte näher an der von anderen Bakterien, wie Helicobacter pylori. Die Gründe für diese proportional größere Kodierungskapazität für Lipoproteine in B. burgdorferi, verglichen mit vielen anderen Bakterien, sind bekannt.

Angesichts der Evidenzen dafür, dass Borrelien und Treponema-Lipoproteine mit dem Immunsystem von Säugetieren bereits früh während der Infektion interagieren, haben zahlreiche Studien ihre mögliche Rolle bei der Zytokin-Produktion und Immun-Zell-Aktivierung untersucht. B. burgdorferi-Lipoproteine aktivieren Makrophagen, endotheliale Zellen, Neutrophile, und B-Zellen. Hautentzündungen durch Infiltration von Neutrophilen, Heterophilen und mononuklearen Zellen in Mäusen und Kaninchen nach Injektionen von Lipopeptiden von B. burgdorferi und T. pallidum sind beobachtet worden. (Im Grunde weiß man schon lange, wie komplex Borrelien sind, um so verwunderlicher ist es, dass so mancher Mediziner glaubt, diese Pathogene mit einer 3-wöchigen Doxycyclin-Therapie immer und in jedem Fall eliminieren zu können).  Der lipoprotein-vermittelte immunstimulierende Prozess kann zu Lyme-Arthritis führen, mit Chronifizierung durch persistente (low-level) Spirochäten.


Variation der äußeren Oberflächenproteine - "Stealth pathogen"
Chronische Syphilisinfektionen bei unbehandelten Individuen (Wechsel von Latenzzeiten unterbrochen von Episoden aktiver Erkrankung) zeigen,  dass diese Bakterien das Immunsystem des Wirts durch einen oder mehrere Mechanismen umgehen. Bisher wurde kein Antigen endgültig lokalisiert oder in der Außenmembran von T. pallidum identifiziert, ein Faktor, der zum Konzept der Spirochäte, als "Stealth Pathogen" beiträgt.


Neben den morphologischen und phylogenetischen Ähnlichkeiten, die es zwischen T. pallidum und B. burgdorferi gibt, zeigen die Krankheiten, die sie verursachen mehrstufige klinische Manifestationen mit dermatologischer und neurologischer Beteiligung und einem chronisch infizierten Zustand im unbehandelten Wirt. Forscher, die sich mit T. pallidum beschäftigten, erkannten schon früh die Parallelen zwischen den Syphilis-Spirochäten und den neu aufkommenden, durch Zecken übertragenen Spirochäten. Beide Spirochäten benötigen übrigens auch kein Eisen.

 

Beide Spirochäten werden im Mutterleib übertragen
T. pallidum passiert die Plazenta, was zu den verheerenden Folgen angeborener Syphilis führt.  Die transplazentare Übertragung von B. burgdorferi wurde (bis 2001!) nicht im Tierversuch nachgewiesen. Dietransplazentare Übertragung von B. hermsii und anderen Spirochäten, die Rückfallfieber verursachen, ist dokumentiert.

Weitere Information zum Thema: http://www.borreliose-verschwiegene-epidemie.de/2013/12/08/borreliose-neue-ergebnisse-k%C3%B6nnten-neue-behandlungsstrategien-erm%C3%B6glichen/

 

B. Jürschik-Busbach © 2014

 

 

 

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Quelle:  Volume 107, Issue 6 (March 15, 2001)
J Clin Invest. 2001;107(6):651–656. doi:10.1172/JCI12484.
Copyright © 2001, American Society for Clinical Investigation
http://www.jci.org/articles/view/12484#B8

 

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