Borreliose: Die weltweite Suche nach Antworten - Teil 6 Österreich

Die Huffington Post hat in einer bemerkenswerten Serie die weltweite Suche nach Antworten zur Lyme-Borreliose im fortgeschrittenen Stadium beleuchtet und dabei Fachleute aus verschiedenen Ländern interviewt. Hier eine Zusammenfassung des englischen Artikels über Frankreich (Folge 5), Deutschland (Folge 4) die Niederlande (Folge 3), über Norwegen (Folge 2) und die Einleitung zur Serie.

 

Heute das Interview mit der Ärztin Elke Schäfer, sie betreibt eine Praxis in Graz, Österreich, und behandelt eine wachsende Zahl von Lyme- Patienten aus allen Teilen des Landes.


"Grundsätzlich sollte in den Leitlinien stehen, solange der Patient weiterhin an Symptomen leidet, sollte er behandelt werden, wie bei einer chronischen Erkrankung. Jeder Borreliose-Patient ist anders, weil  verschiedene Co-Infektionen beteiligt sind und die Schäden, die sie verursacht haben könnten, unterschiedlich sind." 
Elke Schäfer


Die Gefahren, die von zeckenübertragenen Infektionskrankheiten ausgehen, einschließlich des Eingeständnisses, dass insbesondere die Lyme-Borreliose eine der häufigsten und am schnellsten wachsenden Krankheiten ist, wurde inzwischen auch in den USA eingeräumt.

 

Wie hoch ist die jährliche Inzidenz der Lyme-Borreliose in Österreich?

 

Es gibt keine offizielle Quelle für die Lyme-Borreliose-Inzidenz in Österreich. Einige Experten sagen, es gibt nur 200 bis 500 Fälle pro Jahr. Allerdings ist die Lyme-Borreliose (LB) in Österreich nicht meldepflichtig. Das große Problem in Österreich ist die Wanderröte als Kriterium für die Diagnose. Man findet die Wanderröte nur bei 30-50% der neu infizierten Patienten. Daher diagnostizieren nur wenige Ärzte hier die Borreliose richtig. Die Gesundheitsbehörden sagen den Patienten, sie sollen auf eine Rötung achten, doch wir wissen auch, dass die Wanderröte ohne Behandlung wieder verschwindet. Es gibt somit eine Reihe von infizierten Patienten, die unbehandelt bleiben. Die Standard-Antibiotika-Behandlung für LB in Österreich ist 10 - 14 Tage mit Doxycyclin oder 21 Tage mit Penicillin. So steigt die Anzahl der chronischen Lyme Fälle von Jahr zu Jahr.

Es gibt auch keine Studien über andere durch Zecken übertragene Krankheiten hier in Österreich. Zecken sind Vektoren für viele andere Infektionserreger - zum Beispiel, Bartonellen, Babesien, Ehrlichien und Rickettsien, um nur einige zu nennen. LB-Patienten mit chronischen Symptomen leiden häufig unter Herpes (Simplex, VZV , EBV , HHV-6), Chlamydien-Infektionen, Mycoplasmen und Bornavirus-Infektionen. Die große Zahl von Co-Infektionen macht die Behandlung dieser Patienten so schwierig. Patienten mit Co-Infektionen müssen viel länger und mit mehr Know-how behandelt werden, um wieder gesund werden zu können.

Basierend auf Ihren eigenen Erfahrungen, wie groß ist das Problem mit Co-Infektionen? Welche Co-Infektionen sind am häufigsten zu finden?

100 % der Patienten mit anhaltenden Beschwerden haben Co-Infektionen. Ich habe nur ein paar Patienten mit klassischer Lyme-Borreliose. Ich finde Co-Infektionen mit Chlamydia pneumoniae und EBV-Reaktivierungen - das sind Patienten, die unter chronischem Erschöpfungssyndrom leiden. Dann gibt es VZV, eine sehr häufige Infektion, in der Regel haben die Patienten neurologische Symptome mit Kopfschmerzen, Polyneuropathie, Dysästhesien und HHV6-Infektionen. Diesen Patienten ist häufig zu Unrecht eine MS diagnostiziert worden. Schließlich werden auch Candida/Aspergillus und Cryptoccus-Infektionen häufig gefunden. Sie verursachen Atemnot, verbunden mit Müdigkeit, Kopfschmerzen und Fieber.

Glauben Sie, es gibt in Österreich einen zuverlässigen Test für Lyme-Borreliose? Gibt es andere Tests, die in der Entwicklung sind?


Die gesetzliche Krankenversicherung zahlt nur für den Elisa-Test, und wenn dieser positiv ist, für einen Immunoblot. Aber das ist ein großes Problem. Der ELISA-Test hat eine geringe Sensitivität und Spezifität - nur 30% -40% der infizierten Patienten werden positiv getestet.

Der zweite Test, der Immunoblot, erhöht die Rate auf etwa 60-70%. Die meisten Ärzte nutzen noch nicht einmal den Elisa-Test, weil sie nicht an Lyme-Borreliose denken. Bei einigen Patienten mit neurologischen Symptomen wird die Liquorpunktion verwendet. Aber für die akuten Fälle fällt er zu 99% negativ aus. Die Patienten werden dann mit MS, ALS oder anderen Krankheiten falsch diagnostiziert.

Wenn LB-Patienten neurologische Symptome entwickeln, ist die Rückenmarksflüssigkeit in den meisten Fällen normal, weil die Bakterien im fortgeschrittenen Stadium intrazellulär und auch im Gehirn (in der  Rückenmarksflüssigkeit) nicht mehr nachweisbar sind.

Andere Tests, die die Anzahl der Diagnosen erhöhen sind LTT, CD 57 oder eine PCR aus einer Hautbiopsie. Diese Tests werden nur von einer Handvoll Ärzte hier verwendet. Ich selbst schicke das Blut meiner Patienten nach Deutschland (Augsburg), wenn wir mit den ersten beiden Tests nichts finden. Dunkelfeld-Mikroskopie ist auch eine Alternative, aber das muss von jemandem durchgeführt werden, der viel Erfahrung hat , und es gibt nur wenige Ärzte, die das beherrschen.
Ich wüsste von keinem Test, der sich gegenwärtig in der Entwicklung befindet.


"Die Behandlung der Lyme-Borreliose bedeutet nicht nur über eine gute Kombination von Antibiotika zu verfügen. Die Patienten müssen auch ihr Leben und ihre Ernährungsgewohnheiten ändern und ihr Immunsystem stärken."
Elke Schäfer

Glauben Sie, dass die Ärzte in Österreich die Krankheitssymptome angemessen behandeln?

Jeder Arzt kann lernen, wie man die hartnäckige LB behandelt. Leider gibt es nur die alten Leitlinien der IDSA, gemäß denen nach 4 Therapie-Wochen die Krankheit verschwunden sei. Viele Ärzte glauben das. Die Patienten werden dann nur noch symptomatisch gegen Schmerzen, Rheuma, neurologische und psychiatrische Symptome behandelt. Manchmal werden Patienten mit Symptomen von 3-5 spezialisierten Ärzten behandelt, aber es geht ihnen nicht besser, weil die Ursache des Problems nicht angegangen wird. Ich glaube nicht, dass die meisten Ärzte genug Zeit haben, um sich weiter über LB fortzubilden und andere haben eine eingefahrene Meinung dazu.

Wäre es Ihrer Erfahrung nach eine Lösung, die Leitlinien für diese Krankheit zu ändern?

Die empfohlene Standardbehandlung für Lyme-Borreliose sind 10 Tage mit Tetracyclin-Antibiotika. In den meisten Fällen wird nicht einmal ein Follow-up-Bluttest nach dieser Behandlung gemacht. Dies müsste auf eine Behandlung von 4 Wochen und eine Blutuntersuchung des Patienten nach 3 Monaten geändert werden.

Auch die Leitlinien für die akute Borreliose sollten geändert werden. Grundsätzlich sollten die Leitlinien aussagen, solange der Patient unter anhaltenden Symptomen leidet, sollte man behandeln, als würde man eine chronische Krankheit therapieren. Jeder LB-Patient ist aufgrund der verschiedenen Co-Infektionen und der Schäden, den sie beim Patienten verursachen, unterschiedlich.

Das andere Problem ist , dass die Existenz einer persistierenden LB von Ärzten, Behörden und Versicherungen akzeptiert werden muss.


"Ärzte müssten darin geschult werden, wie man LB und Co-Infektionen diagnostiziert und behandelt."
Elke Schäfer

Was ist chronische Lyme-Borreliose für Sie?

LB hat mein ganzes Leben verändert. Ich litt an dieser Krankheit. Ich weiß nicht genau, wann es angefangen hat, aber als ich 18 war, hatte ich eine Kniegelenksinfektion, die als Überlastung diagnostiziert wurde. Ich hatte begonnen, Medizin zu studieren und ich war auch eine ambitionierte Reiterin. Ich litt unter Kopf- und Rückenschmerzen und musste jeden Tag Schmerzmittel nehmen, um studieren und reiten zu können.

Dann wurde ich gegen Hepatitis B geimpft und danach explodierte meine Krankheit. Ich erhielt keine Hilfe und keine Diagnose. Schließlich riet mir der Tierarzt auf LB zu untersuchen. Die ersten Tests waren alle negativ, aber ich las so viel, wie ich lesen konnte und fand eine gute wirksame Therapie. Ich glaubte, dass ich eine Krankheit behandelte, an der ich bereits seit 3 oder 4 Jahren litt. Als sich meine Gesundheit besserte, begann ich, anderen LB-Patienten zu helfen. Seit 2009 habe ich eine  Praxis hier in Graz. Menschen aus dem ganzen Land kommen zu mir.
Die Behandlung der Lyme-Borreliose bedeutet nicht nur über eine gute Kombination von Antibiotika zu verfügen. Die Patienten müssen auch ihr Leben und ihre Ernährungsgewohnheiten ändern und ihr Immunsystem stärken, das durch Umweltgifte, Schwermetallbelastungen, Mangelernährung usw. geschädigt sein kann. Ich persönlich denke, dass die Stabilisierung des Magen-Darm-Trakts und die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten der Weg zum Erfolg bei der Behandlung der persistierenden LB ist.

Welche Präventionsmethoden werden derzeit in Österreich eingesetzt?

Derzeit gibt es keine Vorbeugung gegen die LB in Österreich. Die allgemeine Empfehlung lautet weiße Kleidung zu tragen und Zeckenabwehrmittel zu nutzen. Das schützt aber nicht vor einem Zeckenstich. Die Information über LB für das öffentliche Bewusstsein müsste viel breiter und detaillierter sein. Baxter will eine neue Impfung testen. Meiner Meinung nach wird dies eine große Katastrophe werden. In den USA gibt es weniger Bakterienstämme als hier in Europa. Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass die Impfung funktionieren wird und die Menschen könnten noch kränker werden, vor allem wenn sie bereits Borrelien in sich haben. Darüber hinaus gibt es keine Immunität für LB. Dies bedeutet, dass jede Person, die LB hatte und behandelt wurde mit jedem neuen Zeckenstich erneut an LB erkranken kann. Sobald ein Patient gegen LB geimpft wurde, werden Ärzte und Patienten nicht mehr an die Diagnose einer LB denken, weil der Patient ja dagegen geimpft wurde. So wird das ein Teufelskreis.

Was glauben Sie müsste getan werden, um Fortschritte zu erzielen?

Die Information der Ärzte und der breiten Öffentlichkeit darüber, dass LB keine normale Infektion ist, die binnen weniger Tage geheilt werden kann, ist vermutlich das Wichtigste. LB ist eine multisystemische Krankheit mit einem breiten Symptomspektrum. Ärzte müssen fortgebildet werden,wie man LB und Co-Infektionen diagnostiziert und behandelt. Für die Patienten ist es sehr wichtig, dass persistierende LB von der Regierung und den Versicherungen akzeptiert wird. Ohne Versicherung können die Patienten sich die Behandlung nicht leisten, das heißt, sie können nicht arbeiten und verlieren häufig ihre Arbeitsplätze.

 

Übersetzung B. Jürschik-Busbach © 2013

Quelle: http://www.huffingtonpost.com/c-m-rubin/the-global-search-for-edu_b_3876682.html

 

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In den nächsten Folgen werden wir uns noch mit Borreliose in Kanada, Australien und Finnland beschäftigen.

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