Borreliose - US-Biologe wandelt auf neuen therapeutischen Pfaden - 5,5 Mio Dollar Förderung

Anfang des Jahres räumte die US-Behörde CDC ein, dass die Zahl der jährlich neu an Borreliose Erkrankten statt bei 30.000 wohl bei 300.000 (sic!) liege. Gleichzeitig geraten 30.000 bis 60.000 dieser Patienten aus bisher noch nicht hinreichend geklärten Gründen in ein chronifiziertes Borreliose-Stadium.

5,5 Millionen US-Dollar für neue Forschungsgruppe zur Erregerpersistenz

 

Der Biologe Kim Lewis, ein Experte auf dem Gebiet bakterieller Persistenz, und seine Forschungsgruppe haben 2009 bereits u. a. 5,5 Millionen Dollar für ihre Arbeit erhalten; weitere Unterstützung kommt von der Lyme Research Alliance.

Das Projekt ist auf 5 Jahre angelegt und Teil des NIH-Transformativprogramms. Untersucht werden drei Bakterienarten, um herauszufinden, wie "schlafende" Subpopulationen überleben und den Patienten laufend re-infizieren. Die Förderung soll es Wissenschaftlern erlauben, neue Forschungsideen zu verfolgen.

 

Lewis und sein Team hatten herausgefunden, dass Pathogene, die für chronsche Infektionen verantwortlich sind, kleine Populationen an Persisterzellen ausbilden, die durch Antibiotika nicht eliminiert werden. Sobald die antibiotische Behandlung abgebrochen wird, wachsen Persister wieder und verursachen einen Rückfall.

 

Lewis geht davon aus, bereits binnen der nächsten sechs Monate Therapie-Empfehlungen aussprechen zu können.

"Wir untersuchen molekulare Mechanismen, die für die Bildung von "Schläfer-Zellen" verantwortlich sind, die zu antibiotischer Toleranz führen", sagt Lewis. Der Fokus liegt auf dem von Lewis so genannten "Super-Persister-Phänomen", bei dem mutierte Formen der Krankheitserreger mehr Persister bilden. Gegenwärtig messen mikrobiologische Labore nur die Präsenz aktiver Bakterien und keine ruhenden Persister.

 

"Ich hoffe, dass unsere Arbeit die klinische Laborpraxis ändern und Tests einschließen wird, die auch ruhende Zellen entdecken können", sagt Lewis. "Diese Tests stehen bereits zur Verfügung und bieten ein großes Potenzial für eine verbesserte Therapie bakterieller Infektionen."

 

In einem Interview schildert Lewis, dass Lyme-Borreliose bei 10 bis 20 Prozent der behandelten Patienten nach der Standardtherapie nicht geheilt ist. Die Frage ist, warum nicht? Er berichtet über die "Zwei Denkschulen" unter den Ärzten, die unterschiedliche Annahmen über die Ursache für die krankbleibenden Patienten zugrunde legen.

Auf die Frage, was sie sich erhoffen, sagt er: "Ich denke, wir können zu zwei wichtigen Dingen beitragen, unabhängig von der Frage, ob Borrelien, wie andere Pathogene auch, Persister bilden und ob dies die Chronifizierung erklären könnten."

1. Die Behandlung der chronisch an Borreliose Erkrankten ist nicht adäquat, da bislang niemand die klinische mikrobiologische Arbeit getan hat. Wir müssen die bestmögliche antibiotische (Kombinations-)Therapie finden, um die Erreger abzutöten. Das wurde bis heute nicht getan, weil es schwierig, zeitraubend und anspruchsvoll ist. Hinzukommt, dass die meisten behandelnden Ärzte nicht an chronische Borreliose, die durch verbleibende Borrelien verursacht wird, glauben. Warum also sollte man sich darum bemühen?

 

Doch wir haben aus unserer Arbeit mit anderen Pathogenen umfangreiche Erfahrung mit den existierenden Antibiotika und wir wissen welche, im Prinzip, die Persisterpopulation verringern können. Wir können jenen behandelnden Ärzten einige Empfehlungen geben, die Antibiotika gegen chronische Borreliose verschreiben möchten. Innerhalb des nächsten halben Jahres werden wir bessere Therapien haben.

 

2. Wir werden die Stoffe, mit denen wir im Labor mit anderen Pathogenen arbeiten auf ihre Wirksamkeit bei Borreliose testen. Wir haben eine Anzahl von Artikeln in Fachjournalen veröffentlicht, die eine Verbindung zwischen Persister und der klinischen Manifestation einer Erkrankung zeigen, dies ist auch weitgehend akzeptiert. Doch bei der Borreliose weiß man noch nicht einmal, ob die Symptome durch ein irreversibel geschädigtes Immunsystem hervorgerufen werden, oder durch den Erreger in seiner Ruheform.

 

Die ersten Stoffe, die wir auf Borreliose testen werden, sind Pro-drugs, die bereits ganz gut gegen Persister von E.coli und andere Bakterien wirken. Das Minimum wird sein, dass wir Patienten eine bessere Therapie mit bereits existierenden Antibiotika geben können.

 

Warum ist es an der Zeit, sich um die Lyme-Borreliose zu kümmern?

 

Es ist die perfekte Zeit, ein Problem anzugehen, weil es einen großen Bedarf gibt. Wir haben eine wachsende Borreliose-Epidemie und eine wachsende Zahl von Patienten mit chronischer Borreliose, die über keine adäquate therapeutische Option verfügen. Andererseits haben wir ein Menge über andere Infektionskrankheiten gelernt und wie man sie kontrolliert.

 

Letztes Jahr gab es einen wichtigen Durchbruch mit MRSA. Es ist extrem schwierig, dieses Pathogen zu eliminieren. Dieses Pathogen bildet Persisterzellen, die durch die regulären Antibiotika nicht abgetötet werden. Wir waren in der Lage, einen Stoff (ADEP - wirkt übrigens nicht gegen Borrelien - das haben wir bereits getestet) zu finden, der den Protein-Untergang in den Erregerzellen aktiviert; die Zellen zerstören sich selbst. Das spornt uns an, andere Infektionskrankheiten in ähnlicher Weise behandeln zu können - einschließlich Lyme-Borreliose.

 

Anmerkung:
Persisterzellen, verantwortlich für chronische Infektionen, wurden bereits in den 1940er Jahren (siehe Joseph Bigger) entdeckt, erhielten aber leider seitdem nicht viel (wissenchaftliche) Beachtung. Mit dem Aufkommen der Einzel-Zell-Analyse rücken diese persistierenden Bakterien endlich ins Scheinwerferlicht.

 

Produziert eine wiederholte antibiotische Therapie mehr und mehr Persister?

 

Inzwischen wurde auch die Frage aufgeworfen, ob eine antibiotische Behandlung erst den Nährboden für eine hohe Anzahl an Persisterzellen bereitet? Produziert eine wiederholte antibiotische Therapie mehr und mehr Persister? "Das ist es, was wir bislang herausfanden", sagt Lewis, als man den P. aeruginosa bei Patienten mit zystischer Fibrose isolierte. Nachdem die Isolate mit hohen Dosen Ofloxacin behandelt wurden, konnte ein dramatischer Anstieg (über 100-facher Anstieg) der Persisterzellen beobachtet werden. "Es ist ein Stamm, der große Mengen schlafender Zellen produziert, die Antibiotika tolerieren. Diese Zellen überleben und sobald die Antibiotika abgesetzt werden, wachsen sie. Dann sieht man eine endlose, chronische, rezidivierende Infektion", so Lewis.

 

Hilft Zucker gegen Persister?

 

Stress ist der Auslöser für die Zellen, Persister auszuformen, das scheint inzwischen klar zu sein. An der Boston University untersucht man, warum Einfachzucker wie Mannitol, Fruktose und Glukose Persisterzellen "aufweckt" und zu einem Wachstumkreislauf verhilft. Obwohl Zucker keine Wirkung auf die Elimination der Persister durch Antibiotika hat, wurde beobachtet, dass Zucker in Kombination mit Gentamicin, die Anzahl der Persister um das 1000-fache verringerte. Ein Ansatz der sowohl bei gram-positiven, als auch bei gram-negativen Erregern zu finden ist.

In einem Mausmodell konnte man mit einer Kombination aus Gentamicin und Mannitol E. coli Persister eliminieren. (7. Allison KR, Brynildsen MP, Collins JJ. 2011. Metabolite-enabled eradication of bacterial persisters by aminoglycosides. Nature 473: 216-220.)

 

Food for thought und ein Silberstreif am Horizont?

 

Siehe auch: http://www.verschwiegene-epidemie.de/2013/08/borreliose-oder-wie-knackt-man-eigentlich-biofilme/

 

Übersetzung ohne Gewähr, B. Jürschik-Busbach © 2014

 

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Quellen:

http://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev.micro.112408.134306?journalCode=micro

 

http://www.microbemagazine.org/index.php?option=com_content&view=article&id=2848:persister-cells-and-the-paradox-of-chronic-infections&catid=664&Itemid=882

 

http://www.biotechniques.com/news/Cells-That-Wont-Go-Away/biotechniques-336269.html#.U5nKFLH_4rg

 

http://www.northeastern.edu/adc/research-groups/persister-cells/

 

http://www.northeastern.edu/news/stories/2009/09/LewisNIHTransformative.html

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Anja Maurer (Friday, 13 June 2014 09:40)

    Vielen Dank für die Übersetzung (auch an Frank!) und diesen Artikel. Das lässt hoffen.

  • #2

    Ingeborg Schmierer (Sunday, 29 June 2014 01:36)

    Liebe Birgit Jürschik,

    herzlichen Dank für diesen Artikel und die Deutsche Übersetzung. Nach diesem Bericht verstehe ich warum sich nach einer Antibiotika-Pause spätestens nach 10 Tagen innerhalb weniger Stunden ein entsetzlicher neuer Schub aufbaut.
    Darum schickte ich den Artikel an meinen Hausarzt. Vor ca. 20 Jahren erkannten die Ärzte für Neurologie in der Lunge,neben dem Herzen,Neurome in beiden Leisten( die danach 4 mal operiert wurden -- beschrieben werden diese als Zysten
    ( wahrscheinlich) 2 cm Durchmesser. Jedoch leider keine Ursachenbehandlung, da Eleisa und Nervenwasser angeblich negativ waren. Heute ist mir vieles klar aber mein verlorenes Leben kann ich nicht mehr zurückholen bzw. nochmal leben.
    Habe diesen Bericht meinem Hausarzt verlinkt. Auch den Bericht von Dr. Klemann der ähnliches aussagt.
    Wieder ein Hoffnungsschimmer für viele Chroniker. Dankeschön daß du uns immer über die neusten Erkenntnisse infomierst.